Blog: Mein Alltag mit Diabetes
Vorstellung
Hallo und herzlich willkommen! Ich bin Teresa, 26 Jahre alt, und lebe in der charmantesten Stadt Österreichs – in Graz. Vor 15 Jahren hat meine Bauchspeicheldrüse einfach beschlossen, den Geist aufzugeben. Hier schreibe ich über die täglichen Höhen und Tiefen (m)eines Lebens als Typ 1-Diabetikerin. Schön, dass du mitliest!
Wie alles begann: Meine Diagnose
Im Jänner 2003 war ich gerade 11 Jahre alt geworden. Wenn ich mir heute Fotos der Geburtstagsfeier ansehe, leuchtet ein viel zu hoher Blutzucker aus meinen Augen… Bis zur Diagnose Typ 1-Diabetes sollten damals allerdings noch ganze 4 Monate vergehen.
Ich war so unendlich müde.
Im Musikunterricht schlief ich ein; beim Schulschwimmen konnte ich nicht mehr aus eigener Kraft aus dem Becken klettern. Ich verlor so viel Gewicht, dass manche Klassenkolleginnen dachten, ich sei magersüchtig. Ich verstand ihre Sorge nicht. Hauptsächlich war ich damit beschäftigt, meinen quälenden Durst zu stillen: In jeder Pause führte mich mein erster Gang auf das WC und der zweite zum Getränkeautomat (gezuckerte Fruchtsäfte waren in dieser Situation natürlich alles andere als hilfreich).
Meine Eltern nahmen diesen schleichenden Prozess lange nicht wahr, und schoben die Symptome auf einen potentiellen Eisenmangel, Stress in der Schule oder einen Wachstumsschub. Ich kann ihnen keinen Vorwurf machen wir wussten es schließlich alle nicht besser!
Anfang Mai bekamen wir Besuch von einer befreundeten Ärztin, die mich schon länger nicht gesehen hatte und von meinem Anblick beunruhigt war. Als ich es kaum schaffte, die Stufen vom Garten ins Haus hinaufzusteigen, riet sie meiner Mutter, mich für ein Blutbild zum Arzt zu bringen.
Wir fuhren mit dem Fahrrad. Der Arzt nahm Blut ab, kam jedoch nicht auf die Idee, auch eine Harnprobe zu nehmen. Als ich am Heimweg einfach nicht mehr weiterkonnte, bekam es meine Mutter mit der Angst zu tun: Sie rief ein Taxi und wir fuhren direkt ins LKH. Ich kann mich ab diesem Zeitpunkt an nur wenig erinnern.
In jedem Fall dauerte es nicht lange, bis die Diagnose feststand und ich erste Insulininjektionen bekam. Ich schlief viel.
Ich glaube, es war am nächsten Tag, als eine Ärztin vor mir stand und ungerührt verkündete, dass ich von nun an jeden Tag Insulin spritzen müsse.
Während ich in meinem Dämmerzustand nicht das volle Ausmaß dieser Information registrierte, war sie für meine Eltern ein Schock.
Am Tag darauf war ich schon wieder so stabil, dass die Infusionen abgehängt werden konnten. Als eine Krankenschwester kam, um mir zum 1. Mal Insulin in den Oberschenkel zu spritzen, beschloss ich in einem Anfall von Trotz, das selbst in die Hand zu nehmen und niemals jemand anderen tun zu lassen. Ich hatte ziemlich große Angst vor Nadeln – aber auf diese Weise wenigstens selbst Einfluss auf den Vorgang.
Die Schulungen begannen. Meine Eltern – die immerhin noch meine 3 jüngeren Geschwister zu versorgen hatten – lernten mit mir gemeinsam, was es heißt, „Patient und Arzt“ zugleich zu sein.
Mit 11 Jahren traf ich allein Entscheidungen über Leben und Tod.
Ich wurde als eher unterbegabte Matheschülerin zwangsläufig schnell im Kopfrechnen (zumindest im Bereich zwischen 30 und 500) und übernahm als Erstklässlerin die volle Kontrolle über jeden Bereich meines Lebens: Essen, Trinken, Sport – sogar Schlaf oder ein simpler Schnupfen wurden zu einer Herausforderung. Ich lernte
- die Kohlenhydratangaben von unzähligen Lebensmitteln auswendig,
- Schätzhilfen,
- den korrekten Spritz-Ess-Abstand,
- Erste Hilfe-Maßnahmen bei groben Unterzuckerungen,
- Korrekturfaktoren,
- die Wirkungsdauer verschiedener Insuline,
- den richtigen Umgang mit Spritzstellen,
- das Führen eines Diabetes-Tagebuchs...
Die Liste war endlos.
Bei meiner Diagnose war ich auf ein festes Spritz-Ess-Schema eingestellt worden. Ich musste (!) 6x pro Tag eine bestimmte Anzahl von Broteinheiten essen – egal, ob ich vielleicht gar keinen Hunger hatte oder mich auf einer Geburtstagsfeier mit Kuchenbuffet befand. Gottseidank ist das heute nicht mehr üblich! Als ich dann zum zweiten Mal an einem Sommerlager für Kinder mit Diabetes teilnahm, wurde ich auf eine Basis-Bolus-Therapie umgestellt. Endlich konnte ich soviel essen und trinken, wie ich wollte!
Die ersten Monate nach meiner Diagnose, als der innerfamiliäre Schock langsam am Abklingen war und alle Beteiligten versuchten, sich so gut wie möglich an den neuen Alltag zu gewöhnen, liefen gut. Vonseiten meiner SchulkollegInnen und der meisten Lehrpersonen wurde mir viel Verständnis entgegengebracht – ich musste mich nie „seltsam“ oder anders fühlen.
Das Problem war mein ganz persönlicher Umgang mit der Krankheit.
Obwohl ich nie auf die Idee gekommen wäre, nicht zu spritzen oder mein Essen nicht zu berechnen, schaltete ich automatisch in einen Modus, der zwar nicht körperlich, aber für meine Psyche schädlich war: Ich wollte „normal“ sein.
Ich erlaubte mir nicht, traurig zu sein über diese Diagnose. Ich wollte keine Schwierigkeiten oder „Extrawürschtel“ machen, keine Umstände bereiten. Ich hatte das Gefühl, dass sowieso niemand verstehen würde, wie erschöpfend zu hohe oder zu niedrige Werte waren. Ich wollte und konnte (immerhin war ich erst 11 Jahre alt) mir nicht eingestehen, wie anstrengend das alles für mich war; wie eine zweite Bewusstseinsebene ständig damit beschäftig war, mögliche Risiken zu kalkulieren, Brot- und Insulineinheiten zu berechnen und Stunden im Voraus zu planen.
Mein Verdrängungsmechanismus funktionierte hervorragend. Die Diagnose Diabetes war zwar unweigerlich ein Teil meines Lebens, aber akzeptiert oder aufgearbeitet hatte ich die Situation nicht.
Mein Diabetes blieb über 10 Jahre lang eine Nebensache für mich – und das spiegelte sich zwangsläufig in meinen Werten wider.
Wie sich die ganze Sache für mich weiterentwickelte und ich meine Pubertät mit Diabetes überstand, liest du im nächsten Artikel!
Disclaimer: Ich schreibe hier über meine persönlichen Erfahrungen mit Typ 1-Diabetes und teile meine eigenen Gedanken zu bestimmten Themen. Diese Äußerungen stellen keine persönliche oder eigene Meinung des Blog-Providers dar und können auch keine ärztliche Konsultation ersetzen. Wenn du gerne neue Therapieformen ausprobieren, deinen Lebensstil ändern oder neue Routinen in deinen Diabetes-Alltag integrieren möchtest, sprich dich zuvor mit deinem behandelnden Arzt/deiner behandelnden Ärztin ab! Sicher ist sicher.
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